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Well & Fit

06.06.2025 |

Krafttraining

Neurozentrierte Ansätze für bessere Ergebnisse

Während Muskeln, Sehnen und Gelenke lange Zeit als Hauptakteure im Krafttraining galten, steht in der Sportwissenschaft mittlerweile fest: Ohne die zentrale Steuerung durch das Nervensystem bleibt selbst das präziseste Trainingsprogramm unter seinen Möglichkeiten. Wie ein Krafttraining durch Stimulation des Nervensystems auf ein höheres Level gehoben werden kann, erklärt Sportwissenschaftler Kevin Grafen.

Neurozentriertes Training beschreibt einen Ansatz, bei dem gezielt die Funktion und Leistungsfähigkeit des Nervensystems trainiert und in die Trainingsplanung integriert wird. Dabei geht es nicht allein um kognitive oder mentale Aspekte. Vielmehr steuert das zentrale Nervensystem (ZNS) alle körperlichen Prozesse – von der Haltungskontrolle über die Muskelspannung bis hin zur Schmerzverarbeitung und autonomen Regulation (Atmung, Herzfrequenz, Blutdruck). Es ist der Ursprung jeder Bewegung – und zugleich ihr Limitationsfaktor. Typische Trainingsprobleme wie Instabilität, Bewegungseinschränkungen oder diffuse Schmerzsymptomatiken werden häufig rein muskulär interpretiert: „zu schwach“, „verkürzt“, „verspannt“. Doch was, wenn diese Beschwerden weniger Ausdruck eines lokalen Muskelproblems sind, sondern vielmehr ein Hinweis auf eine unzureichende oder ineffiziente neuronale Steuerung?

Beim neurozentrierten Ansatz wird der menschliche Körper nicht nur als biomechanisches System, sondern als ein neurobiologisch gesteuertes Gesamtkonstrukt betrachtet. Indem das Nervensystem bewusst in Trainingsprozesse integriert wird, lassen sich Bewegungsqualität, Kraftentwicklung und Leistungsfähigkeit oft schneller und nachhaltiger verbessern als durch rein peripher ausgerichtete Maßnahmen.

Wir arbeitet das zentrale Nervensystem?

Funktionell betrachtet, lässt sich die Arbeitsweise des ZNS vereinfacht auf drei zentrale Phasen herunterbrechen: Input – Interpretation – Output.

Der Input umfasst sämtliche sensorischen Informationen, die dem Gehirn kontinuierlich zur Verfügung gestellt werden. Diese stammen nicht nur aus den klassischen fünf Sinnessystemen – Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten –, sondern insbesondere auch aus spezifischen Körpersystemen wie dem vestibulären Apparat (Gleichgewicht), der Propriozeption (Lage- und Bewegungswahrnehmung) sowie aus nozizeptiven und mechanorezeptiven Rückmeldungen der Gelenke, Faszien und Muskulatur. Diese Informationen bilden die Grundlage jeder motorischen Ausführung.

In der Phase der Interpretation werden diese Daten vom Gehirn analysiert, bewertet und in einen funktionellen Kontext eingeordnet. Dabei spielt nicht nur die Qualität der eingehenden Signale eine Rolle, sondern auch die Fähigkeit des Nervensystems, diese Signale effizient zu integrieren – also sinnvolle, konsistente Muster daraus zu formen. Das Ergebnis dieser neuronalen Verarbeitung bestimmt letztlich die Art und Qualität des Outputs.

Der Output bezeichnet das sichtbare oder spürbare Resultat dieser Verarbeitung: Muskelaktivierung, Kraftentfaltung, Bewegungsausführung, Haltungskontrolle – aber auch Schmerzreaktionen oder Schutzmechanismen wie muskuläre Spannung oder Bewegungseinschränkungen. Es ist entscheidend zu verstehen, dass dieser Output kein autonomes Produkt der Muskulatur ist, sondern ein vom Gehirn gesteuertes Ergebnis neuronaler Einschätzungen.

Kein volles Leistungspotenzial ohne Sicherheit

Liefern sensorische Systeme ungenaue, widersprüchliche oder qualitativ eingeschränkte Informationen, etwa durch visuelle Dysfunktionen, vestibuläre Irritationen oder eingeschränkte propriozeptive Rückmeldung, erhöht das Gehirn aus Schutzgründen häufig die muskuläre Grundspannung, schränkt Bewegungsspielräume ein oder löst Schmerz aus. Diese Reaktionen sind Ausdruck einer eingeschränkten neuronalen Sicherheit und sollen die strukturelle Integrität des Körpers bewahren.

Man könnte sagen: Das Nervensystem zieht in solchen Fällen quasi die Handbremse an – nicht, weil die Muskulatur schwach wäre, sondern weil dem Gehirn die nötige Sicherheit fehlt, um das volle Leistungspotenzial freizugeben.

Integration ins Krafttraining: Augen steuern Bewegung

Ein effektiver Einstieg in die Anwendung neurozentrierter Prinzipien im Krafttraining gelingt über ein oft unterschätztes, aber enorm wirkungsvolles System: die okkulomotorischen Reflexe (OMRs). Dabei handelt es sich um sogenannte „Augen-Muskel-Reflexe“, neuronale Verbindungen, die eine direkte Beziehung zwischen Blickrichtung und muskulärem Aktivitätsmuster herstellen.

Vereinfacht gesagt: Der Körper richtet sich in die Richtung aus, in die wir blicken.
Schauen wir nach unten, aktiviert das Nervensystem bevorzugt Flexionsmuster, also beugungsdominante Bewegungen. Der Körper tendiert dazu, sich nach vorne zu krümmen. Blicken wir hingegen nach oben, verstärkt das Gehirn tendenziell Extension, also aufrichtende, streckende Bewegungsmuster.

Ähnlich funktioniert die Rotation: Ein Blick nach rechts fördert Bewegungen zur rechten Seite, ein Blick nach links begünstigt eine Linksrotation. Diese Zusammenhänge sind nicht willkürlich, sondern tief im zentralen Nervensystem verankert. Evolutionär gesehen wichtige Reflexmechanismen, um Bewegungs- und Blickrichtung effizient zu koppeln.

Für das Krafttraining ergibt sich daraus ein spannendes Potenzial: Wenn Beugung und Streckung – also die Basisbewegungsmuster – durch Blickrichtungen beeinflusst werden, können wir diese Reflexe gezielt nutzen, um Bewegungsausführungen zu unterstützen oder zu optimieren.

Ein einfaches Beispiel ist die Brustpresse. Der M. pectoralis major ist ein beugungsdominanter Muskel. Um seine Aktivierung gezielt zu fördern, kann es hilfreich sein, während der Druckphase bewusst nach unten zu schauen. Das visuelle System sendet dabei einen zusätzlichen Reiz, der das Flexionsmuster verstärkt – was sich in der Praxis häufig in einer verbesserten Muskelansteuerung, mehr Stabilität und besserem Bewegungsgefühl äußert.

Das Gegenbeispiel ist das Rudern, bei dem vor allem extensorische Muskelgruppen wie die Rhomboideen oder der Latissimus dorsi beansprucht werden. Hier kann ein Blick nach oben dabei helfen, das Bewegungsmuster der Extension zu unterstützen und die Rückenstreckung effektiver anzusteuern.

Hat man dieses Prinzip einmal verstanden, lässt sich der OMR-Ansatz auf nahezu jede Übung und Muskelgruppe anwenden – sei es beim Kreuzheben, beim Schulterdrücken oder bei Kniebeugen. Auch beiBewegungseinschränkungen zeigt sich in der Praxis häufig eine unmittelbare Verbesserung, wenn die Blickrichtung gezielt angepasst wird.

Gerade weil diese Intervention so einfach umzusetzen ist (ohne zusätzliches Equipment oder komplexe Vorbereitung), eignet sie sich ideal für den Einstieg in neurozentriertes Training im Fitness-Studio.

Fazit: Neurozentriertes Training als systemische Ergänzung

Die gezielte Nutzung okkulomotorischer Reflexe stellt einen praxisnahen Einstieg in das neurozentrierte Training dar und verdeutlicht exemplarisch, wie sensorische Systeme unmittelbar Einfluss auf motorische Leistungsfähigkeit nehmen können. Gleichwohl ist diese Intervention nur ein einzelner Baustein innerhalb eines deutlich umfassenderen Konzepts. Entscheidend ist das Verständnis, dass das Nervensystem ein integratives Steuerzentrum darstellt, das kontinuierlich Informationen aus sämtlichen sensorischen Kanälen verarbeitet.

Je differenzierter wir die neurobiologischen Zusammenhänge und die funktionelle Organisation dieser Systeme verstehen, desto gezielter und effektiver lässt sich das Training gestalten. Neurozentriertes Training bedeutet in diesem Kontext nicht, klassische Trainingsmethoden zu ersetzen, sondern sie um eine entscheidende Perspektive zu erweitern: die systemische Steuerung durch das zentrale Nervensystem.

Autor

Kevin Grafen ist Sportwissenschaftler, Autor, Referent und Ausbilder mit Spezialisierung auf neurozentriertes Training. Sein Schwerpunkt liegt auf der praxisnahen Vermittlung neurophysiologischer Grundlagen in Training, Therapie und Weiterbildung – sowohl im Leistungs- als auch im Gesundheitsbereich.

www.kevingrafen.de


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